Von Karin Lubowski, Lübeckische Blätter
Dieser Frankenstein ist „nach Motiven von Mary Shelley in einer Überschreibung von To Doan und Julienne De Muirier“, erklärt ein Untertitel. Und doch: Es geht um Ängste und Körperlichkeit, um Macht und Monstren.
Überschreibung ist ein schwaches Wort für das, was Babett Grube mit Hilfe von fünf grandios spielenden Darstellerinnen (Marlene Goksch, Lilly Gropper, Susanne Höhne, Lucia Peraza Rios, Mona Sumaia Rode) in Szene setzt. Anderthalb Stunden lang ist etwas ganz Neues zu sehen, Fragmente, die sich mit Monströsem in politischen und gesellschaftlichen Gefügen auseinandersetzen, mit Dominanz, Ausgrenzung, Geschlechterorientierung und dem Ringen um Gleichwertigkeit in hierarchischen Strukturen. Als Mitspieler taucht das Monster nicht auf und doch ist es da. Auch musikalisch. Als Roger Whittaker mit „Albany“ erklingt, weiß man, dass es hier um Kritik an einer Welt geht, wie sie sich weiße Männer machen.
Mit Hebe- und Drehbühne, Überraschungen aus dem Schnürboden, Licht- und Schattenspielen kommt technisch nahezu alles zum Einsatz, was das Große Haus zu bieten hat – nicht als Spielerei, vielmehr als optische Übersetzung des nicht immer barrierefreien Erzählflusses.
Und was hat das mit Mary Shelleys „Frankenstein“ zu tun? „Sie zeigt die Überheblichkeit und die Kälte von Viktor Frankenstein und kontrastiert sie mit der Perspektive der erschaffenen und zum Leben erweckten Gestalt“, schreibt To Doan. „Shelley untergräbt damit eine patriarchale und eurozentristische Ordnung und bringt sie ins Wanken.“
Man muss nicht alles verstehen. Trotzdem ist bemerkenswertes Theater zu sehen. Das Premierenpublikum applaudierte begeistert. KARIN LUBOWSKI
- Nächste Aufführung: Mi., 15. Februar 2023, 19.30 Uhr. Theater Lübeck (Großes Haus), Beckergrube 16. Tickets: 0451/399 600. www.theaterluebeck.de
Bildlegende: Susanne Höhne, links, Mona Sumaia Rode, Lilly Gropper, Marlene Goksch, Lucia Peraza Rios (Foto: Sinje Hasheider)